Auch wenn die Grenzen zwischen Stadt und Land verschwimmen, bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gemeinden: Auf dem Land hat man es mit einer sehr kleinteiligen Bauherrenschaft zu tun, partizipatorische Planungsprozesse haben in einer überschaubaren Dorfgemeinschaft einen "anderen" Charakter als in größeren Städten, zudem steht man in der Planung von Mobilitätskonzepten oder generell der Versorgungsinfrastruktur vor ganz anderen Herausforderungen, um nur einige Ebenen zu nennen. Auch wenn der ländliche Raum ein genauso komplexes Arbeitsfeld ist, widmen sich die Planungsdisziplinen gegenwärtig vor allem den urbanen Zentren, in denen auch die meisten Architekturschaffenden tätig sind. Ungewöhnliche und vorbildhafte Entwicklungsprozesse in ländlichen Gemeinden werden dagegen nur selten publiziert und analysiert.
Zielsetzung des Forschungsprojekts
Das Interesse besteht darin, Best-Practice-Beispiele von Baukultur in ländlichen Räumen in Deutschland zu untersuchen und die gewonnene Erkenntnis umfassend zu beschreiben. Dabei geht es um mehr als das „schöne Einzelobjekt“. Im Forschungsprojekt erfolgt eine Auseinandersetzung, wie Baukultur mit der Lebenswirklichkeit ländlicher Räume zu verknüpfen ist, also soziale und ökonomische, ökologische und gestalterische Fragen miteinander verbunden werden können. Hierfür wurden vier „Baukulturgemeinden“ und fünf „Baukulturinitiativen“ ausgewählt und ausführlich porträtiert. Die ausgewählten Orte sind: Weyarn in Bayern, die Kleinstadt Biberach in Baden-Württemberg, das Dorf Volkenroda in Thüringen sowie die ehemalige Industriestadt Luckenwalde in Brandenburg. Die Themen der Baukulturinitiativen sind u.a. Ortskernentwicklung, Tourismus und Umnutzung leerstehender Bausubstanz. Die Iniatiativen befinden sich in Baruth in Brandenburg, Baiersbronn in Baden-Württemberg, Burbach in Nordrhein-Westfalen, Leiferde in Niedersachsen und Lüchow in Mecklenburg-Vorpommern.
Lebenswirklichkeiten in ländlichen Räumen
Die Bandbreite der ausgewählten Orte spannt sich von agrarisch geprägten Dörfern über Tourismusorte bis zu ehemaligen oder aktuellen Industriestandorten, manche Gemeinden sind peripher gelegen andere befinden sich im Umfeld von Metropolen. Die meisten der untersuchten Orte haben nur wenige hundert bis einige tausend Einwohner, einzelne sind allerdings Kleinstädte mit bis zu 30.000 Einwohnern.
Im bayrischen Weyarn wurden über Jahrzehnte tragfähige Strukturen der Bürgerbeteiligung erarbeitet und eine innovative Bodenpolitik im Erbbaurecht eingeführt, in Volkenroda wurde ein bereits vollkommen verfallenes Kloster zu einem lebendigen kulturellen Zentrum entwickelt, in Lüchow führte die Gründung einer Landschule zur Wiederbelebung eines Dorfes. In Biberach sorgt man mit dem Instrument des Gestaltungsbeirats für eine hochwertige und vielfältige Architektur und in Luckenwalde brachte eine gewissenhafte Stadtplanung und die Aufarbeitung des baulichen Erbes, zusammen mit Mut zu ungewöhnlichen Umnutzungen, neuen Wind in die schrumpfende Kleinstadt.
Gemeinsam ist den dokumentierten Gemeinden, dass sie auf mehreren Ebenen vorbildhafte Planungsprozesse umsetzen sowie das Verständnis, dass Baukultur nicht nur das Bewahren und Wiederherstellen vergangener Bauleistungen ist, sondern auch Raum für zeitgenössisches Gestalten. Und dass sich die Planungsarbeit bei baulichen Maßnahmen nicht „von selbst“ erledigt, sondern in der Regel von Profis durchgeführt wird.
Der Erfolg eines Projektes ist untrennbar mit seinen handelnden Akteuren verknüpft. Deswegen liegt der Schwerpunkt der Untersuchung weniger auf realisierten Bauprojekten, sondern stellt die Prozesse und Personen, die für die außergewöhnliche Entwicklung der Orte entscheidend waren, in den Vordergrund. Methodisch wird vor allem mit Interviews, Gesprächen und gemeinsamen Ortsrundgängen mit Akteurinnen und Akteuren vor Ort gearbeitet. Dazu zählen etwa Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Planerinnen und Planer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, Initiatorinnen und Initiatoren spannender Projekte, sowie Bürgerinnen und Bürger.
Der Abschluss des Projekts ist ein Symposium in einem der porträtierten Orte, das sehr unterschiedliche Akteure ansprechen soll: Entscheidungsträger auf Länder- und Bundesebene, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der kommunalen Verwaltung und Gemeindepolitik, sowie Vertreterinnen und Vertreter von Planungsbüros, die an Architektur, Raumplanung und Landschaftsarchitektur, sowie generell an der Entwicklung ländlicher Räume, interessiert sind. Die Auswahl für den Ort der Veranstaltung fiel auf das Dorf Volkenroda in Thüringen. Die Vortragenden sind großteils Akteure aus den porträtierten Orten, die dort in unterschiedlichen Bereichen der Gemeindeentwicklung aktiv sind. Sie präsentieren ihre individuellen Strategien, wie Baukultur in der Gemeinde ein Motor der Zukunftsentwicklung geworden ist.
Ergebnisse
Die Ergebnisse werden im Rahmen des Abschlußsymposiums am Donnerstag 23. und Freitag 24. Mai 2013 in Volkenroda/Thüringen der Öffentlichkeit vorgestellt.
Auftraggeber / Auftragnehmer
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), vertreten durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), hat von LandLuft - Verein zur Förderung von Baukultur in ländlichen Räumen, Österreich das Thema untersuchen und umfassend beschreiben lassen.
Informationen
Weitere Informationen zum Forschungsvorhaben „Baukultur in ländlichen Räumen“ finden Sie unter unter www.bbsr.de